SAZbike 12/2016
Lesedauer 3:40 Minuten

"Die Stiftung Warentest kann man nicht ernst nehmen"

Fahrradbranche hadert mit aktuellem E-Bike-Test:

"Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen", klagte einst der bekannte Fußballer Gary Lineker nach dem verlorenen WM-Halbfinale seiner Engländer gegen das deutsche Team. Passend dazu könnte es in der Fahrradbranche heißen: "Tests bei der StiWa sind einfach: Ca. 15 E-Bikes werden geprüft, und am Ende ist immer mindestens ein Modell mangelhaft."

In der Juli-Ausgabe von "Test" standen tatsächlich 15 Elektroräder mit tiefem Rahmendurchstieg auf dem Prüfstand. Sieben Mal gab es ein "gut", doch auch fünfma l die Note "mangelhaft". Die anderen drei Modelle erhielten jeweils ein "befriedigend". Testsieger wurde das "BS.1" von Flyer vor dem "E-Manufaktur 7.9" von Victoria und dem Decathlon-Modell "City Nexus" von Riverside. Testverlierer waren Pegasus mit dem "Premio ES F", Stevens mit dem "E-Courier Forma", Fischer mit dem "ECU-1603 ", Kettler mit dem "Traveller E Tour FL'' und das AldiModell "Alu-City-Elektrorad" von Hansa.

Die Gründe für die mangelhaften Bewertungen waren unterschiedlich. Beim Pegasus-Modell kritisieren die Prüfer, dass die Bremsen so schwach sind, "dass wir das Rad nicht empfehlen können, und während des Dauertests brach der Gepäckträger". Ein instabiler Seitenständer sowie ein unzureichender Bügel am Gepäckträger zum Sichern des Gepäcks wurden als weitere Schwachpunkte genannt.

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Für den Sachverständigen Dirk Zedler hingegen ist die Sache klar. "Wenn es ein Bauteil in der Fahrradbranche gab, das in den vergangenen 20 Jahren nahezu null Ärger gemacht hat, dann Maguras bahnbrechende Hydraulikbremsen-Linie 'HS 11' bis 'HS 33'. 'Anschrauben und vergessen' ist die Devise und gilt daher auch bei Extrem- bzw. Vielfahrern zurecht als die Sorglosbremse am Rad. Selbst die StiWa lobte die Hydraulikbremse in der Vergangenheit wiederholt und ausnahmslos, um nun zwei Fahrräder damit auf 'mangelhaft' abzuwerten. Als seriöser Prüfer hätte man die möglichen Ursachen (Luft im System, schmutzige Felgen etc.) herausfinden und abstellen müssen. Als ernsthafte Warentest-Organisation hätte man die eigene mangelhafte Stringenz hinterfragen müssen", kritisiert Zedler scharf.

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Dirk Zedler ärgert sich zudem darüber, dass die StiWa Risse und Brüche von sicherheitsrelevanten Bauteilen klein geschrieben habe. "In den vergangenen 23 Jahren hat der Bruch von Sattelstützen im Bereich der Gutachten über Materialversagen in unserem Hause einen Spitzenplatz eingenommen. Dies sowohl in der Häufigkeit, als auch in der Schwere der Folgen für den Fahrer. Auch ohne die Bauteile gesehen zu haben, halte ich dieses Vorgehen für sehr bedenkenswert und geradezu wider der tatsächlichen Schadensfälle im Betrieb. Ein Beleg, dass die Warentester und deren Prüfer zu fern der Realität sind", klagt Zedler, der dementsprechend feststellt: "Die Stiftung Warentest kann man nicht ernst nehmen. Auch dieses Jahr sind die Ergebnisse haarsträubend." Mit dem Bruch der Sattelstütze bezieht sich Zedler auch auf das mangelhaft getestete Fischer-Modell. Über das "Ecu-1603" urteilte StiWa wie folgt: "Billiges Pedelec. Beidseitiger Bruch am Gepäckträger und Bruch der Sattelstütze führen zur Abwertung. Unausgewogener Antrieb. Beschleunigt im Test unter Funkeinfluss (z.B. Amateurfunk). Unkomfortable Sitzposition. Tretunterstützung setzt beim Anfahren verspätet ein. Antrieb läuft lange nach. Lädt lange. Rückgang der Antriebsleistung schon bei noch halb vollem Akku. Lange Akkuladezeit. Geringe Reichweite."

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Doch auch über das mangelhafte Testergebnis lassen sich die Kölner aus. Die Heinz Kettler GmbH verfüge als ursprünglicher lnverkehrbringer des Rades über einen Test, nach dem die Sattelklemmung die gesetzlich vorgeschriebenen Normen deutlich übererfüllt. Zudem hat die ZEG die Sattelklemmung noch einmal von sich aus beim Zedler-lnstitut und beim Tüv Rheinland testen lassen. "Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Anforderungen in vollem Umfang erfüllt sind. Der Tüv Rheinland hat zudem festgestellt, dass die betroffene Sattelklemmung sogar noch einen zusätzlichen Belastungstest, der 25 % oberhalb der gesetzlichen Norm liegt, erfüllt. Außerdem entspricht laut Tüv die Sattelklemmung den Kriterien für das GS-Zeichen (= Geprüfte Sicherheit)", erklärte die ZEG.

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Autor: Alexander Schmitz

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