Eurobike Show Daily 2018 - Tag 3
Lesedauer 5:30 Minuten

Der große Umbruch – Große Veränderung – Neuer Anspruch

In vielen großen Städten wandelt sich das Straßenbild, denn mehr und mehr werden Radfahrer auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkauf gesehen. Mehr Radverkehr bedeutet weniger Stau, lebenswertere Städte und im Ergebnis glücklichere und gesündere Menschen. Unumkehrbar ändert sich damit das Nutzungsverhalten einer breiten Masse von Kunden hin zum intensiven Gebrauch, womit neue Herausforderungen für die Fahrradbranche entstehen.

Der Anspruch, den dabei die Fahrer an das Fahrrad haben, ist nicht ganz so neu wie man es meinen könnte. Schon einmal, d.h. im späten 18 Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis hin zum zweiten Weltkrieg, war das Fahrrad ein, wenn nicht der wesentliche Verkehrsträger der individuellen Mobilität. Die Fahrräder der Dreißiger Jahre waren innovativ und teils von sehr hoher Qualität und Haltbarkeit.

Nach jahrzehntelangem Stillstand und absoluter Auto-Dominanz wurde das Fahrrad mit dem Mountainbike und durch den Triathlon Mitte der Achtziger Jahre wiedergeboren, allerdings fast ausschließlich als reines Sportgerät. Der elektrische Antrieb bringt nun die Kehrtwende.

Fahrradmobilität zweigleisig

Blickt man in die nahe Zukunft oder naheliegender in real existierende Städte mit hohem Radverkehrsanteil, die sich typischerweise außerhalb Deutschlands befinden, findet die Radmobilität mit zwei Kategorien von Fahrrädern statt.
Zum einen sind dies Radverleihsysteme und zum anderen sind dies Räder im Privatbesitz.

Beide Kategorien sind keine Konkurrenten, sondern die Märkte für die Fahrräder entwickeln sich und wachsen parallel, wie es sich in vielen Städten Europas herauskristallisiert hat. Wenn die Nutzer erst einmal über ein praktisches Fahrrad-Verleihsystem auf den Geschmack zügiger und Spaß machenden Fahrens gekommen sind, kaufen sie oft ein hochwertiges Fahrrad oder E-Bike für den Freizeitgebrauch oder für weitere Strecken.

Nicht nur das Straßenbild in manchen Städten wie Amsterdam, Barcelona oder Kopenhagen, sondern auch Umfragen, z.B. in der Schweiz, bestätigen diesen Wandel. Während Nutzer klassischer City- oder Trekkingräder auf eine Jahresfahrleistung von im Schnitt 675 km kommen, fahren Pedelecfahrer dort rund 2.600 km und damit rund die vierfache Kilometerleistung. Auch weitere Zahlen aus Umfragen sind geradezu wegweisend: Während nur 19 % der befragten Fahrradfahrer in der Stadt Ihr Fahrrad als wichtigstes oder zweitwichtigstes innerstädtische Verkehrsmittel sehen, sind dies beim Pedelec rund 80%. Vielfahrer, die Ihr Fahrrad oder Pedelec als Mobilität betrachten, wollen vor allem eins, funktionierende Technik ohne Ausfallszeiten.

Anspruch und Realität

Die beiden Radarten für die moderne Mobilität, d.h. Verleih und Privatbesitz, weisen einige gemeinsame Entwicklungsziele auf, in anderen unterscheiden sich diese jedoch sehr deutlich. Fakt ist, nahezu kein Fahrrad ist heute vollumfänglich für einen der beiden Anwendungsfälle vorbereitet. Mehr noch, auch die gültigen und für den bisherigen Fahrradanspruch gewachsenen Normen ISO 4210 und EN 15194 bieten nur vage Anhaltspunkte, aber gewiss keine Sicherheit.
EN- und ISO-Normen stellen absolute Mindestanforderungen dar. Jedes Fahrrad muss diese erfüllen, auch z.B. das Bike für 149,00 € aus dem Baumarkt.

ISO-Normen gehen implizit von 100 kg Gesamtgewicht aus, d.h. Fahrrad, Fahrer und Gepäck zusammengerechnet. Das ist zu wenig: Ein City- oder Trekkingrad wiegt zwischen16 und 20 kg. 85 bis 89 Kilogramm wiegt der durchschnittliche Mann in der D-A-CH Region. Im Ergebnis fahren mehr als 50 % der deutschsprachigen Männer mit einem nur nach ISO geprüften Fahrrad nicht „geprüft“ sicher. Und an Gepäck, Kindersitze oder Kinderanhänger denkt da noch keiner. Woher der nach unserem Empfinden Unsinn kommt, ist schnell erklärt. Bei einer weltweiten Norm wird der kleinste gemeinsame Nenner gesucht und ein Chinese wiegt im Durchschnitt rund 70 kg, ein Japaner sogar nur 69 kg. Das heißt in anderen Ländern sind Reserven vorhanden.

Für haltbare Fahrräder müssen daher bei Prüfungen folgende Gesichtspunkte in härteren Prüfungen münden:
- Sämtliche unterschiedlichen Lastfälle müssen an einem einzelnen Bauteil abgeprüft werden.
- Normen müssen ergänzt und damit vervollständigt werden. Beispielsweise mit Belastung des Rahmens durch Scheibenbremse oder durch spezifische Belastung eines voll gefederter Rahmen oder der Prüfung des Gabelschafts.
- Bauteilgruppen müssen zusammen geprüft werden bzw. bei getrennten Prüfungen müssen „worst case“-Anforderungen getroffen werden.

Um Missverständnissen vorzubeugen und es klar herauszustellen: Wenn alle Bauteile und Fahrräder konsequent nach den Normen geprüft würden, gäbe es weniger Schadenfälle und Unfälle mit Verletzten und Toten. Die Normen sind eine absolut sinnvolle und zwingend durchzuführende Basis. ABER: Sie nehmen dem Prüfer nicht die Arbeit ab, geeignete Verfahren und Prüfungen ergänzend und darüber hinaus zu erarbeiten und durchzuführen.

Sorgenfreie Mobilität geht über das schiere Thema Sicherheit, d.h. Haltbarkeit von tragenden Bauteilen hinaus. Pendler und Vielfahrer klagen, je nach Topographie in der Sie unterwegs sind, über Bremsbeläge und Ketten, die sie jeden Monat wechseln müssen, Bremsscheiben oder Felgen, die keine Saison durchhalten, oder Federgabeln, die Ihre Funktion binnen Jahresfrist teils verlieren.

Die Unzufriedenheit wächst im Zusammenspiel mit einem Handel bzw. einer Service-Infrastruktur, die diesen neuen Anforderungen schlicht nicht gewachsen ist. Wer ein Pedelec zum Pendeln kauft, möchte nicht alle paar Wochen zum Händler und dann dort tagelang auf die Inspektion bzw. Instandsetzung seines Fahrrades oder E-Bikes warten. Fehlt noch ein Ersatzteil, kann das noch länger dauern.

Fazit

Moderner Radverkehr und die stark wachsende E-Mobilität fordern Fahrräder mehr als je zuvor. Pendler und Pedelec-Fahrer fahren erwiesenermaßen mehr, der Motor verleitet dazu Gepäck oder (Kinder-) Anhänger mitzunehmen. Zudem werden immer mehr schwere Fahrer durchs Pedelec mobil und Berge sind im Gegensatz zu früher kein Hindernis mehr. Zudem macht der Motor E-Biker schneller und Pedelecs / E-Bikes sind definitiv Verkehrsmittel, motorlose Fahrräder waren dies in den vergangenen Jahren nur äußerst selten. Die Beobachtung dessen, was auf den Straßen los ist, belegt, dass vieles der aktuellen Fahrradtechnik hinsichtlich Haltbarkeit und Wartungsaufwand schnell an ihren Grenzen ist und dass die Normen keine ausreichenden Anhaltspunkte bieten.

Aus all diesen Gründen sind aktuelle Normen notwendigerweise zu befolgende Richtlinien, müssen aber für die Anforderungen moderner Fahrrad- und E-Bike Mobilität mit hausinternen Standards deutlich ergänzt und erweitert werden. Hinsichtlich Verschleiß und Service muss ein komplett neuer Anspruch definiert werden.

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Foto: Beryl

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